Comment entrer dans la poético-sphère de notre temps ?
– wie eintreten in die Poetikosphäre unserer Zeit?
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Gaston Bachelard, La poétique de la rêverie; Paris : Presses Universitaires de France, 1960.
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Gaston Bachelard hat diese Frage vor sechzig Jahren in seiner Poetik der Träumerei (1960) gestellt. Er sah eine Ära der freigesetzten Imagination auf die Menschen zukommen: „Von allen Seiten dringen Bilder in die Atmosphäre, gehen von einer Welt zur anderen und rufen Ohren und Augen auf, ihre Träume zu erweitern…“ – Die poetischen Epochen der Vergangenheit vereinen sich zu einem vitalen virtuellen Gedächtnis, das unentwegt Bild- und Sprachneuheiten hervorquellen lässt: „Nie ist die Poesie so sehr sie selbst wie in dem Augenblick, in dem sie sich diversifiziert.“
Bachelard hatte noch das Medium Buch vor Augen: „Man muss alles lesen.“ Womöglich hat sich die von ihm beschworene Freisetzung der Imagination erst im Zuge der digitalen Revolution ereignet, in dieser übermächtigen technologisch-wissenschaftlichen Träumerei. Wie auch immer. Mehr als ein halbes Jahrhundert nach Bachelards Frage scheint ihre Brisanz Aktualität ungebrochen. Die Poetikosphäre hat nicht aufgehört zu existieren. Die Frage, ob und wo und wie man in sie eintreten kann, ist offener denn je.
Das ist die Aufgabe der Edition hérésie: die Sphäre des Poetischen in der aufgewühlten Gegenwart zu orten, zu durchmessen, zu dokumentieren und fallweise zu überwinden.
ABB. – Poetik der Träumerei
[Brisanz] – Wohin man gelangt, wenn man dem Wort Brisanz ein Stück weit nachstellt: zündende Aktualität, meint der Wahrig, Kluge führt es auf das französische Verb ‚briser‘ für brechen, zerbrechen, sprengen zurück; er setzt es mit dem altfranzösischen ‚brisa‘ in Beziehung, das den Rückstand beim Keltern bezeichnet – aufgefasst, laut Kluge, als Nomen acti, als „das, was aus dem Zerquetschen der Weinbeeren resultiert.“ – (Auf brisant folgt im Kluge die ↑Brise.)
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